Dienstag, September 08, 2009

Als wir den Sommer bewohnten

Wahl frei, sagte der Automat. Im Augenblick standen 60 Cent auf dem Spiel. Du brauchst dich nicht jetzt zu entscheiden, sagte N. Ich wählte die Drei - Cappuccino ohne Zucker. Nun, ich muss verraten, dass ich mich schon vor langer Zeit für den Cappuccino ohne Zucker entschieden hatte und wenn ich ganz ehrlich bin, beginnt die Geschichte auch an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit. Wahrscheinlich in einem Strandbad. In der Abendzeit. Mit den Bewohnern zweier Handtücher.

N. traf ich das erste Mal an diesem Tag. Nenn mich N., sagte sie.
Warum eigentlich N., fragte ich, während ich semi-konzentriert einen Stein auf meinen Zehen balancierte.
Weil die anderen Buchstaben heute frei haben. Sie lachte.
Der Stein fiel runter - ärgerlich, aber es entwickelte sich grade ein Flirt. Probeweise redeten wir noch etwas über das Wetter.
Da Liegen als Tätigkeit schon ausreichend ist und im Gegensatzt zum Sitzen keine Nebenbeschäftigung benötigt, konnte sich ungehindert der Himmel dunkeln und die Sterne in den Vordergrund treten lassen, bevor wir bemerkten, dass auch eine antiautoritäre Wettereinstellung der richtigen Kleidung bedarf. Wir froren.
Wo ist dein Handtuch zu Hause, fragte sie mich.

Dem Kühlschrank ensprang ein Abendessen. N. kam nackt aus meiner Dusche und flüsterte mir ihren vollen Namen ins Ohr.
Ich kannte deinen Bruder, sagte ich und auch, es tut mir leid.
Ich kannte ihn nicht, sagte sie leise. Sie nahm Dvorák aus dem Regal und vertrieb damit die Gitarre aus dem CD-Player. Repeat. Kurz vor Sonnenaufgang verklang die Sinfonie zum sechsten Mal.

Vorsichtig zog sie die Tür hinter sich zu.

Ich verbrachte den Tag. Die beiden Handtücher trockneten unhörbar auf dem Balkon. Am Strand trafen wir uns wieder.

Du hast dein Handtuch vergessen, sagte ich.
Nein, du hast es mir mitgebracht. Sonne in ihren Haaren und etwas in ihren Augen. Wir ließen sie wieder unter- und aufgehen.

Wie war das mit deinem Bruder, fragte ich.
Ein Mädchen, sagte sie. Kein Mädchen, sagte sie und lachte. Es klang bitter. Ihr Handtuch war blau, meines war grün. Der Himmel war rot. Wir wohnten nur auf dem dünnen Stoff, der uns von Stein und Sand trennte. Gehen wir einen Kaffee trinken?

Wahl frei, sagte der Kaffeeautomat. Gehen wir morgen nach Kroatien, fragte N. Du brauchst dich nicht jetzt zu entscheiden, sagte sie. Ich wählte die Drei - Cappuccino ohne Zucker, aber das spielte keine Rolle. Nach Zagreb würde ich mit ihr nicht gehen.

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